15.09.2012

Stellungnahme des Deutschen Kinderschutzbundes Bundesverbandes e.V. zur Debatte um das „Beschneidungsurteil“ einer kleinen Strafkammer des Landgerichts Köln
I. Ausgangslage
1. Das Urteil des Kölner Landgerichts zur Strafbarkeit eines Arztes, der an einem muslimischen Jungen eine Beschneidung durchgeführt hat, hat Anlass dafür gegeben, die Beschneidung von Jungen aus religiösen Gründen in Deutschland zur Diskussion zu stellen. Für viele jüdische und muslimische Mitbürgerinnen und Mitbürger gehört die Beschneidung von männlichen Kindern zu den zentralen Ritualen ihres religiösen Lebens. Durch das Gerichtsurteil fühlen sich viele kriminalisiert und diffamiert, wozu auch der teilweise respektlose und überhebliche Ton der Debatte beigetragen hat. Doch neben der Frage, wie die Diskussion geführt wird, betreffen die Fragen, was aus dem Urteil folgt und welche Regelung künftig Geltung haben soll, den Kinderschutz im Kern.
2. In säkularisierten Gesellschaften wie der deutschen sind religiöse Rituale oft nicht mehr selbstverständlich. Nötig ist deshalb die Diskussion mit den Mitbürgerinnen und Mitbürgern jüdischen und muslimischen Glaubens über die Bedeutung der Beschneidung von Jungen für ihre Aufnahme in die Religion und für die religiöse Erziehung in der heutigen Gesellschaft.
3. Eine Verständigung über das Verhältnis des Grundrechtes auf Freiheit der Religionsausübung (Art. 4 GG) und dem Grundrecht des Kindes auf körperliche Unversehrtheit (Art. 2, Abs. 2 GG) bedürfen einer respektvollen und grundsätzlich anerkennenden Gesprächskultur. Der Deutsche Kinderschutzbund Bundesverband e.V. (DKSB) hofft hierfür einen Beitrag leisten zu können. Er grenzt sich entschieden von Stigmatisierungen und Abwertungen aufgrund religiöser Zugehörigkeiten ab.

II. Handlungsleitende Grundsätze des DKSB

1. Für den DKSB als Lobby für Kinder ist das Recht des Kindes auf körperliche Unversehrtheit, auf Integrität, eine handlungsleitende Maxime. Für das Recht des Kindes auf gewaltfreie Erziehung und seine Verankerung im Bürgerlichen Gesetzbuch hat sich der DKSB viele Jahre eingesetzt.
2. Ein weiterer Grundsatz, der die Identität des DKSB maßgeblich prägt, ist die dem Kind grundsätzlich einzuräumende Möglichkeit, an es betreffenden Entscheidungen beteiligt zu werden. Falls dies aufgrund des Alters noch nicht möglich ist, sind in der Regel Mutter und Vater diejenigen, die im besten Interesse des Kindes entscheiden und handeln.
III. Position zur Beschneidung von Jungen aus medizinisch nicht indizierten Gründen
1. Wir Kinderschützerinnen und Kinderschützer setzen uns in allen Lebensbereichen dafür ein, dass medizinisch nicht notwendige Eingriffe in den Körper eines Kindes unterbleiben. Dies gilt auch für einen so schwerwiegenden und unumkehrbaren Eingriff wie die Zirkumzision bei einem Jungen. Der DKSB appelliert deshalb an alle Mütter und Väter in unserer Gesellschaft, zu prüfen, ob die Beschneidung, in die Säuglinge und junge Kinder nicht einwilligen können, verzichtbar ist. An gläubige Mütter und Väter appellieren wir, zu prüfen, welche anderen Formen der Aufnahme in die religiöse Gemeinschaft und der religiösen Erziehung von Jungen denkbar sind und erst dann eine Beschneidung auf den Weg zu bringen, wenn das Kind Willens und in der Lage ist, darüber zu bestimmen.
2. Trotz dieser ethischen und politischen Orientierung unseres Verbandes, spricht sich der DKSB dagegen aus, Eltern, die eine andere Entscheidung treffen, mit straf- oder familienrechtlichen Schritten zu drohen. Dies hätte fatale Folgen für Kinder und ihre Familien. Strafrechtliche oder familienrechtliche Maßnahmen wie der Entzug des Sorgerechts im Falle einer religiös motivierten Beschneidung würden Bindungs- und Beziehungsstörungen auslösen und die Entwicklung des Kindes (Art. 2, Abs. 1 GG und Art. 6, Abs. 2 UN-Kinderrechtskonvention) schädigen.
3. Trotz der kritischen Haltung des Deutschen Kinderschutzbundes gegenüber medizinisch nicht indizierter Beschneidung von Jungen, ist derzeit den vom Ethikrat formulierten Mindestanforderungen aus unserer Sicht zu entsprechen. Diese sind
- die Anerkennung des entwicklungsabhängigen Vetorechtes des betroffenen Jungen,
- eine qualifizierte Schmerzbehandlung,
- die fachgerechte Durchführung des Eingriffs und
- die umfassende Aufklärung und Einwilligung der Sorgeberechtigten.


Berlin, 15.09.2012, Johanna Suwelack
Der Deutsche Kinderschutzbund (DKSB): Für die Zukunft aller Kinder!
Im DKSB (1953 in Hamburg gegründet) sind über 50.000 Einzelmitglieder in über 430 Ortsverbänden aktiv - und machen ihn zum größten Kinderschutzverband Deutschlands. Sie setzen sich gemeinsam mit über 10.000 Ehrenamtlichen und rund 3.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern für Kinder und gegen Missstände ein, drängen Politiker und Verwaltung zum Handeln und packen selber an. Der DKSB will Kinder stark machen, ihre Fähigkeiten fördern, sie ernst nehmen und ihre Stimme hören. Daher setzt sich der DKSB mit den Schwerpunktthemen Kinderrechte, Kinder in Armut und Gewalt gegen Kinder für die Kinder in unserem Land ein.
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