10.02.2011
Stellungnahme des Deutschen Kinderschutzbund Bundesverbandes e.V. zum
Referentenentwurf eines Gesetzes zur Stärkung eines aktiven Schutzes von Kindern und
Jugendlichen (Bundeskinderschutzgesetz BKiSchG)
Der vorliegende Referentenentwurf verbessert die Rechtsgrundlage für den Auf- und
Ausbau eines effektiven Kinderschutzes. Er stärkt rechtlich eine in Programm und Praxis
der Jugendhilfe bereits seit langem geforderte Kooperation all jener Systeme, die Kinder
und Jugendliche im Blick haben bzw. im Blick haben müssten (siehe hierzu z.B. § 2 Abs.
3, § 3 KKG, § 79a, § 81 SGB VIII zur Bedeutung einer Kooperation siehe auch: Britta
Discher, Hans-Jürgen Schimke: „Die Rolle der insoweit erfahrenen Fachkraft nach § 8a
Abs. 2 SGB VIII in einem kooperativen Kinderschutz“. In: Zeitschrift für Kindschaftsrecht
und Jugendhilfe 1. 2011).
Zu begrüßen ist die präventive Ausrichtung eines Schutzes von Kindern (vergleiche
hierzu z.B. § 2 KKG) sowie die hiermit verbundene Verpflichtung zur Zusammenarbeit
und zur Übernahme von Verantwortung für das Gelingen einer guten und breit
angelegten Kooperation.
Mit der neu eingeführten Bezeichnung „Kinderschutzfachkraft“ (insoweit erfahrene
Fachkraft gem. § 8a – derzeitige Fassung) greift der Gesetzgeber eine in der Praxis der
Jugendhilfe bereits gängige Formulierung auf. Angesprochen wird hier eine
Personengruppe, die sich auszeichnet durch
1. eine einschlägige pädagogische oder psychologische Ausbildung (Dipl.-
Pädagogik, Dipl.-Sozialpädagogik, Dipl.-Sozialarbeit, Dipl. Heilpädagogik, Dipl.-
Psychologie) oder Ausbildung zur/m Erzieher/in mit einschlägigen
Zusatzausbildungen oder in Leitungsfunktion qualifizierten Berufsabschluss
2. eine mehrjährige Praxiserfahrung und Erfahrungen mit Praxisfällen im
Kinderschutz
3. eine Zusatzqualifikation im Bereich der Wahrnehmung, Beurteilung und des
Handelns im Kinderschutz sowie durch
4. fachliches Handeln im Sinne eines in der Praxis anerkannten Aufgabenprofils
(vergleiche hierzu: Deutscher Kinderschutzbund Landesverband NRW e.V. (DKSB
LV NRW e.V.), Bildungsakademie BiS, Institut für soziale Arbeit e.V. (ISA):
Überlegungen zur Ausgestaltung der Rolle der Kinderschutzfachkraft, ZkJ 2009, S.
109).
Der DKSB begrüßt diese Entwicklung außerordentlich, weil damit ein wichtiges Element
der Kooperation im Kinderschutz gestärkt und ausgebaut wird.
„Gesetz ist mächtig – mächtiger ist die Not“. In Goethes „Faust“ verweist Plutus auf
Kräfte, die juristisch normatives und damit erzwingbares Handeln beeinträchtigen. Bei
der Umsetzung des § 8a SGB VIII, aktuelle Fassung – zeigen sich schon heute erhebliche
Probleme bei der Finanzierung
• der zum Einsatz kommenden Kinderschutzfachkräfte,
• von geeigneten und notwendigen Hilfen (auch präventiven Hilfen) und
• bei der Sicherstellung einer verbindlichen Handlungskette und der hiermit
verbundenen Personalaufwendungen.
Die Politik ist hier im besonderen Maße gefordert, die für einen aktiven Kinderschutz
notwendigen Rahmenbedingungen zu schaffen. Sichergestellt werden muss, dass
ausreichende Mittel zur Verfügung stehen für
1. präventive Leistungen der Jugend- und Gesundheitshilfe (z.B. Information und
Beratung der Eltern in Fragen der Kindesentwicklung – Netzwerk frühe Hilfen),
2. die Entwicklung und Anwendung fachlicher Handlungsleitlinien (vergleiche
hierzu: § 8b SGB VIII, neu),
3. den Auf- und Ausbau einer Struktur und Kultur der Beteiligung von Kindern und
Jugendlichen sowie für die Einrichtung von Ombuds- oder Beschwerdestellen,
4. die Qualifizierung von Kinderschutzfachkräften, die nunmehr auch der in § 4 Ziff.1
des KKG genannten Professionen zur Verfügung stehen sollen.
Im vorgelegten Referentenentwurf wird das Recht des Kindes auf Beteiligung und damit
die Subjektstellung des jungen Menschen gestärkt (vergleiche hierzu: § 8b Abs. 3, neue
Fassung oder auch § 42 SGB VIII, neue Fassung). Beteiligung darf sich aber nicht
begrenzen auf die Abklärung von Situationen, die zu einem Handeln von wohl
meinenden Erwachsenen führten (vergleiche hierzu: § 42 Abs 2 SGB VIII „das Jugendamt
hat während der Inobhutnahme die Situation, die zur Inobhutnahme geführt hat,
zusammen mit dem Kind oder dem Jugendlichen zu klären und Möglichkeiten der Hilfe
und Unterstützung aufzuzeigen“). Die Wahrnehmung von jungen Menschen als Subjekte
mit eigenen Rechten bedeutet auch, sie entsprechend ihrem Entwicklungsstand mit
einzubeziehen, wenn die verantwortliche Fachkraft „bei den Personsorgeberechtigten
oder den Erziehungsberechtigten auf die Inanspruchnahme von Hilfen hinwirkt ...“
(vergleiche § 8a Abs. 4 Ziff 4a) und „das Jugendamt informiert, falls die
Personsorgeberechtigten nicht bereit oder in der Lage sind, die erforderlichen Hilfen in
Anspruch zu nehmen“ (vergleiche hierzu: § 8a Abs. 4 Ziff. 4b, neue Fassung).
Kinderrechte stärken bedeutet, junge Menschen auch an der Erarbeitung einer
Perspektive z.B. nach einer Inobhutnahme zu beteiligen. Kinder und insbesondere
Jugendlich brauchen ebenfalls eine Ermutigung zur Annahme einer Hilfe. Als Experten in
eigener Sache können sie einen wichtigen Beitrag zur Klärung der Frage nach der
geeigneten und notwendigen Hilfe leisten. Der Gesetzgeber sollte neben einer
Beteiligung an der Klärung der Situation, die zu einer Inobhutnahme geführte hat, in §
42 Abs 2 SGB VIII auch das Recht des Kindes auf Gehör und Beteiligung an der
Entwicklung und Festlegung nächster Schritte hin zu einem passgenauen Hilfekonzept
festschreiben um damit dem § 12 der UN-Kinderrechtekonvention zu entsprechen.
Seit Veröffentlichung des Referentenentwurfs durch das BMFSF im Dezember 2010
haben sich verschiedene Fach- und Dachorganisationen sowie Spitzenverbände der
freien Wohlfahrtspflege mit Stellungnahmen zu Wort gemeldet. So hat bereits im Januar
2011 der PARITÄTISCHE Gesamtverband den Entwurf einer Stellungnahme an seine
Untergliederungen und seine Mitgliedsorganisationen mit der Bitte um Stellungnahme
vorgelegt. Mit Ausnahme der Position zu § 4 Abs. 2 und zu § 8a (Kinderschutzfachkraft)
stimmt der DKSB Bundesverband e.V. dem Entwurf für eine Stellungnahme des
Paritätischen zum BKiSchG zu.